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“Das’ halt unnormal wie Ihr bloggt.”

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Flickr (c) Susi Watson

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Aktuell auf Carta: Die Mädchenmannschaft ist die Gender-Polizei, unhöflich, unsachlich, dogmatisch und (ohgottegott) politisch. Igitt. Die Mädchenmannschaft ist so FURCHTbar, dass sie sogar Männer™ als Kommentatoren v-e-r-s-c-h-r-e-c-k-t hat, beware. Damit ist sie fernab jeder Lebenswirklichkeit. Schreibt Vera Bunse:

“2010 war ich sehr zuversichtlich, dass die vielen gescheiten Netzfrauen dabei sind, sich freizuschwimmen und die Möglichkeiten von Blogs und sozialen Netzwerken für ihre Anliegen zu nutzen. Die Mädchenmannschaft war eine Anlaufstelle, die auch Menschen angesprochen hat, die sich selbst als “nicht politisch” bezeichnen. Diskussionen wurden dort offen, sachlich und höflich geführt, außerdem waren viele Männer unter den regelmäßigen Kommentatoren, was der Lebenswirklichkeit entspricht. Leider hat sich das geändert.”

Bunse ist Bloggerin und Journalistin und News- und Politikjunkie, so steht es in ihrer Carta-Bio. Bunse hat keine Lust (oder Kraft) sich “auf Debatten über Feminismus einzulassen, die sich nicht im Geringsten mit lebendigen, atmenden Frauen beschäftigen oder nur den Versuch machen, sie mitzunehmen.” Muss sie ja auch nicht. Wir wissen schließlich: Feminismus ist dazu da, das Leben schöner und angenehmer zu machen, und die Leute da abzuholen “wo sie sind”™. 

Ich habe auch eine Lebenswirklichkeit. Ich atme, und ich bin lebendig. Frau Bunse liest, kocht, lebt und lacht gern. Ich auch. Und ich habe zusätzlich mehrmals pro Woche aufgeschreckte Leser_innen in meinem Blog, die mir mitteilen müssen, dass sie mich für eine extrem dumme K*n*kenschl*mpe halten, die doch wieder “nach Hause” gehen soll, wenn es ihr hier nicht passt.

Als ich letztens mal versucht habe, ein extrem lebensnahes Thema junger Menschen (da irgendwie populär) aufzugreifen, weil ich dachte, immer nur Filterthemen sind ja auch irgendwie doof, “Geh mal Mainstream gucken, Mädchen”, hat ein Großteil der Netzgemeinde verschreckt zugeguckt, wie ich eine Woche lang im Internet bespuckt wurde – und viele haben lieber erstmal gar nix gesagt.

Ich habe jahrelang Menschen versucht da abzuholen, wo sie stehen. Ich wollte dann aber irgendwann nicht mehr bis an mein Lebensende im Kaff “Limited Thinking” rumcruisen. Denn einige – wenige, muss mensch dazu sagen, aber leider immer doch noch zu viele – Leser_innen der Mädchenmannschaft stehen an folgenden Haltestellen der Lebensrealität:

“Krass, kaum sind die “weissen” hier bei MM weg kommt der ganze Rassismus ungeschminkt zu tragen. Ihr seid für mich dreck…M*lattendreck. B*starde. Ihr verflucht die, die euch undankbare N****rf*tzen zu fressen geben weil ihr zuhause zu dumm seid Kartoffeln anzubauen. Zu dumm und zu faul. Scheiss Ausländerpack.”

“Der islam-gesteuerte Fundifaschismus in der Mädchenmannschaft ist typisch für die Dummheit des anarchischen GutmenschInnen-Linksblocks.”

Den Flughafen “Zur paternalistischen Nachhilfe” gibt es natürlich auch:

“Diskriminierung ist immer ein Akt der Willkürlichkeit, der mit ganz persönlicher Macht einhergeht, der von einzelnen Menschen unabhängig von Gesellschaftsstrukturen vorgenommen werden kann.”

Ebenso den Busbahnhof  “Versteckt nach Klugscheißerhausen”:

“Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet bei der Mädchenmannschaft, von Vertreter_innen dieser, mit dem Konzept des “Deutsch-seins” operiert wird; im m.E. sonst sehr schönen Podcast wurde vom “typisch Deutschen” gesprochen – solche “nationalistischen Mentalitäten” scheinen mir sehr problematisch.”

Oder auch “Patriarchat ist eine Straße, die es nicht gibt”:

“Also, das auf patriarchale Strukturen zu schieben finde ich ein bisschen frech. Es sind doch von Frauen herausgegebene und präsentierte Fashion-Scheiße, die euch Frauen diese Pest ins Gehirn gepflanzt hat. Ihr Frauen unterhaltet euch ständig untereinander über solch überflüssige Themen (ich generalisiere hier bewusst) wie eigenes Gewicht, Gewicht von anderen/Promis/etc. So gut wie alle Männer die ich kenne, wünschen sich Frauen, die ein bisschen mehr auf den Rippen haben. Aber ihr selbst seid es, die damit unglücklich sind und sich fett fühlen und für die Dünn sein ein erstrebenswerter Zustand ist. Schiebt das mal nicht den Männern in die Schuhe…”

Ganz ehrlich: Das sind Leute, die ich mittlerweile nicht mehr in meine Karre steigen lasse. Wozu auch? Damit sie mich mit ihren Weisheiten vollfurzen?

Mittlerweile weiß ich auch langsam nicht mehr, wo das Problem liegen soll. Was meint zum Beispiel die Frau Bunse denn zum Beispiel hiermit?:

“Eine neue, unabhängige Plattform dieser Art gibt es meines Wissens nicht, obwohl auf einzelnen Blogs weiterhin sachlich und allgemein verständlich diskutiert wird.”

Where the hell is the fucking problem? Dass es – Ohgottegott – Leser_innen gibt, die uns ganz gerne lesen? Und wenn das alles so schrecklich ist, warum googlet Frau Bunse dann mal nicht ein bisschen mehr hin und her? Und guckt sich mal um, welche Plattformen es denn zum Glück noch so gibt, zum Beispiel hier und hier und hier und hier?

“Man kann tatsächlich nützliche Strategien entwickeln, ohne jemals von Gender Studies gehört zu haben.” Nah, selbstverständlich! Und wir, sowie auch viele unserer Kolleg_innen, die zwischen Hassnachrichten und ungefragten Besserwisserei-Lektionen jeden Tag so ziemlich alles auf`s Butterbrot geschmiert kriegen, die zudem nicht alle Gender Studies studieren oder studiert haben, können auch mal beschließen, dass wir uns das mit der Höflichkeit™ einfach mal in die Haare schmieren. Weil auch wir tatsächlich nützliche Strategien haben mit all dem umzugehen, ohne beide Wangen gleich zwanzigtausendmal zum draufklatschen hinzuhalten, immer und immer und immer wieder.

Und wenn Bunse und all den anderen ins Taschentuch-Schnodder_innen das noch zu wenig ist, warum dann nicht, wie Accalmie schon zusammenfasste:

“Und warum können Leute nicht einfach ihre eigenen Plattformen starten, wenn die MM so schrecklich ist?”

Genau. Ist es eigentlich unser Problem, wenn einige Blogs nicht gelesen werden, weil sie ungefähr genauso spannend sind wie ein gekochtes Ei? Whatever, ich schätze mal dass einige der oben zitierten Kommentator_innen den Bunse-Text gelesen haben und dann so: “Yeah! Endlich sagt`s mal wieder eine_r!”. Das’ gut. Jedem das auf den Teller, was er gerne speisen mag.

Und ich, ich freue mich auf 2013. Auf ein weiteres Jahr unnormalen™ Bloggens.



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